Knieschmerzen

Schmerzen sind der häufigste Grund meine Praxis aufzusuchen. Ein nicht unerheblicher Teil der Patienten, die meine Dienste benötigen, hat Knieschmerzen. Diese sind regelmäßig an der Innenseite des Kniegelenks lokalisiert. Warum das so ist versuche ich in diesem Artikel herauszuarbeiten.

Im Prinzip kann das Knie nur beugen und strecken. Bewegungen außerhalb der Beinachse – also in der Frontalebene – sind auf Dauer nicht verträglich und sorgen für Überlastungen desselben. Allerdings führt der Unterschenkel bei vollständiger Kniestreckung eine leichte Außendrehung aus, die sogenannte Schlussrotation. Das liegt an den Gelenkflächen des Oberschenkelknochens und der Spannung des Bandapparats, mit Name der Kreuzbänder.

Diese Schlussrotation ist notwendig, damit der Vastus medialis voll kontrahieren kann. Der Vastus ist der am weitesten in der Mitte liegende (Teil-)Muskel des Quadrizeps femoris, der eine dynamische Funktion hat und beim Gehen – v. a. während der Loading Response* – nur kurzzeitig anspannt und die Kniescheibe nach innen stabilisiert.

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Kinematik und Kinetik der Gangphasen – Schlüsselkonzept

Und hier liegt der Hund begraben … Denn wenn die Kontraktion des Vastus mediales ausbleibt kommt es zu einem dyskinetischen Bewegungsmuster im Knie und die Schlussrotation fehlt. Einhergehend kommt es zu einer Dysbalance zwischen der Kniekehlenmuskulatur und der Oberschenkelvorderseite. Es kommt zu einer Verdrehung im Bereich des Innenmeniskus, da dieser im Gegensatz zum Außenmeniskus frei beweglich ist. Der typische Schmerz wird schließlich über ein Band auf die Knieinnenseite übertragen.

Zwei Muskeln verdienen hier größere Beachtung:
M. popliteus - Von Henry Vandyke Carter - Henry Gray (1918) Anatomy of the Human Body (See "Buch" section below)Bartleby.com: Gray's Anatomy, Tafel 439, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=529088
Der M. popliteus
Der Popliteus ist ein Kapselspanner und dreht das Schienbein nach innen. In der angewandten Kinesiologie ist er ein Kennmuskel für den Gallenblasenmeridian. Bei einem Hypertonus kann er die Schlussrotation verhindern. Wie ich in meinem Beitrag Repetitive strain injuries bereits erklärt habe, sind es die fortlaufenden Wiederholungen eines veränderten Bewegungsmusters, die zu einer strukturellen Verletzung führen.

M. plantaris - Von Henry Vandyke Carter - Henry Gray (1918) Anatomy of the Human Body (See "Buch" section below)Bartleby.com: Gray's Anatomy, Tafel 438, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=28757214
Der M. plantaris
Die Sehne des Plantaris strahlt in den innenseitigen Aspekt der Achillessehne aus. Sie ist so mit dem Fersenbein verbunden und kann Spannungen auf das untere Sprunggelenk oder umgekehrt vom Sprunggelenk auf das Knie übertragen.

Und damit kommen wir auf die vielfältigen Ursachen für Knieprobleme zu sprechen: Es sind immer die angrenzenden Gelenke, die es mitzubeurteilen gilt. Das Sprunggelenk habe ich hier oben bereits erwähnt. Oberhalb des Knies findet sich das Hüftgelenk und hier sind es die Adduktoren und der zugehörige Nerv, die Spannungen aus der Hüfte auf das Knie übertragen.

Um die Schlussrotation und damit die vollständige Kniestreckung gänzlich zu ermöglichen bedarf es der freien Beweglichkeit in den Sprunggelenken und in den Hüftgelenken. Das Knie isoliert zu behandeln reicht meiner Meinung nach nicht aus.

Erst wenn der Fuß wieder frei aus der Hüfte fallen kann und das Knie in der Achse steht ist die Problematik behoben.

Zuletzt bearbeitet am 1. April 2024 um 21:36 Uhr.

2 Antworten auf „Knieschmerzen“

  1. Ein sehr interessanter Artikel über das Knie, danke. Die Bilder veranschaulichen die Anatomie gut. Wie ist bei Knieschmerzen nach einem Meniskusriss vorzugehen?

    1. Ich glaube die Problematik tritt bei jeglicher Knieverletzung auf. Bei einem Meniskussriss wird die Arthrokinematik, also die Beweglichkeit sicher nicht frei erfolgen. Eine Dysrotation scheint mir wahrscheinlich. Ist eine axiale Belastung möglich, kann das Knie vielleicht auch konservativ behandelt werden.

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